Stadtgrün: Aufregung um den Gendarmenmarkt
Zur Eröffnung des Gendarmenmarkts im März nach zweijährigen Bauarbeiten setzte ein wahrer Shitstorm ein. Betonwüste, kein Grün, keine Bäume. Erstaunlich, mit welcher Vehemenz manchmal Dinge die Öffentlichkeit auf einmal beschäftigen, die eigentlich jahrelang absehbar waren. Die Planungen waren keine Geheimsache, dauerten berlinüblich weit über ein Jahrzehnt.
„Es ist gut, dass von vielen Menschen vehement mehr Begrünung in Berlin eingefordert wird. Mehr Bäume, Grün und Entsiegelung sind nicht nur ein Beitrag zur Klimaanpassung. Mehr Bäume und Grün können auch die Biodiversität erhöhen. Denn sie sind Lebensraum für viele Arten und können zu deren Erhalt beitragen“, sagt Gabi Jung, Geschäftsführerin des BUND Berlin.
Allerdings sagt sie auch, dass es „zu kurz geblickt“ sei, das alles jetzt am Gendarmenmarkt festmachen zu wollen, schließlich soll dieser Platz auch für Veranstaltungen geeignet sein. „Und auch solche Orte brauchen wir in Berlin“, unterstreicht Gabi Jung.
„Man muss das ganze größer betrachten. Es gibt allein In Mitte viele Bereiche, wo entsiegelt werden müsste. Zum Beispiel im Bereich vor dem Humboldt-Forum, in der überbreiten Leipziger Straße oder auch in der Spandauer Straße zwischen dem Fernsehturm und dem Marx-Engels-Forum“, so Jung weiter. Nicht nur dort gebe es viel mehr Potenzial, um einen in der Stadt spürbaren Unterschied zu machen.
Vorteile gibt es nicht nur bei der Klimaanpassung – also mehr Schatten und Kühlung durch Verdunstung. „Mehr Begrünung und Entsiegelung können auch für eine bessere Vernetzung bestehender Biotope wie kleine Parks sorgen. Sie sind dann sogenannte Trittstein-Biotope, die es Arten ermöglichen, zwischen den verschiedenen grünen Inseln in der Großstadt zu wandern“, sagt Gabi Jung. Das sei ein wichtiger Beitrag zur Biodiversität in Berlin. Diese Zielsetzung war übrigens auch eine der wichtigen Triebfedern bei der Konzeption der 20 Grünen Hauptwege durch Berlin vor über 20 Jahren, an der der BUND Berlin intensiv beteiligt war.
„Wichtig ist der Erhalt von älteren Bäumen. Bis neue Bäume Funktionen wie Schatten erfüllen, vergehen 30 Jahre; bis zu Naturschutzfunktionen wie Bruthöhlen 60 bis 80 Jahre“, unterstreicht Gabi Jung noch ein wichtiges Anliegen des BUND Berlin. Viel zu oft werden im Zuge von Umgestaltungsmaßnahmen vitale ältere Bäume abgeholzt und durch Neupflanzungen „kompensiert“. Doch wichtige Funktionen sind dadurch über Jahrzehnte verloren.
Zu loben ist am Gendarmenmarkt der Umgang mit dem Regenwasser. Es soll gespeichert und versickert werden, anstatt in der Mischwasser-Kanalisation zu landen. „Das ist ein Beitrag zur Schwammstadt Berlin und reduziert auch die Überläufe in die Berliner Gewässer, die regelmäßig für Fischsterben sorgen“, lobt Gabi Jung. „Wegen der hohen Kosten der am Gendarmenmarkt gewählten Lösung kann das aber nicht die Standardlösung sein. Technisch einfachere und preiswertere Lösungen wie tieferliegende Baumscheiben oder Rigolen, also letztlich Gräben, in denen das Regenwasser versickern kann, sind im Regelfall das Mittel der Wahl“, so die Geschäftsführerin des BUND Berlin.
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